Neuanfangen nervt total
Es geht los! – Neuanfänge beginnen mit diesem schönen Gefühl: Aufregung gemischt mit einem Schuss Befürchtungen. Vorfreude eben! – Die ersten Schritte sind nicht so schwer. Es wurden sich schon viele Gedanken darüber gemacht.
Die ersten Tage der Rentenzeit, der Auszeit, nach der Eröffnung des Ladens, in der Selbständigkeit als Solopreneur: Begrüßungrituale, vielleicht ein Urlaub, Eröffnungsfeiern, erste Aufträge. Doch irgendwann sind die Blumen verwelkt, der Urlaub vorbei, die ersten neugierigen Kunden kommen vielleicht nicht wieder, die Auftragsbeschaffung ist mühsam.
Dann beginnt der Alltag des Neuanfangs: Die Erkenntnis taucht auf, das es nicht so schnell geht mit dem Drangewöhnen an neue Umstände. Die alten Routinen greifen nicht mehr, neue gibt es noch nicht oder sie sind recht wackelig. Vielleicht ist der Neuanfang auch recht einsam: Ich kann einfach so einen Kaffee trinken gehen am hellen Mittwoch Nachmittag, weil ich selbständig oder in Rente bin, meine Freunde sitzen im Büro. Die Tage am Schreibtisch im Homeoffice können lang sein, wenn das Telefon nicht klingeln will.
Die Anfängerin lernt sich noch einmal neu kennen: Wie gehe ich mit Frustration um, wenn ich keinen Chef verantwortlich machen kann für die Misere? Wie lerne ich eigentlich am Besten etwas Neues? Wie muss ich mich verändern, um mich der neuen Situation gut anzupassen? Was macht Veränderung und Unsicherheit mit mir? Kann ich gut mit mir alleine sein? … Manchmal finden sich blöde Seiten an sich selbst. Dann die Frage: Bin ich überhaupt gut mit mir selbst befreundet?
Neuanfänge haben eben das Potential die ganz großen Fragen aufzuwerfen.
In diesen Situationen gilt es dran zu bleiben und den nächten Schritt zu tun und den nächsten und den nächsten. Trotz des Gefühls der Unsicherheit, trotz des ermüdenden Fehlens von Routine. „Dran bleiben“ meint die Bereitschaft, Veränderung in kleinen und kleinsten Schritten zu gestalten. Neue Dinge im ganz Kleinen auszuprobieren. Eben nicht in alte Muster zurückzufallen, sondern die neue Situation zu nutzen um zu experimentieren. Im Kleinen, einfach weil es das ist, was einfach geht.
Das ist weder glamourös, noch taugt es für selbstdarstellerische Artikel über die Großartigkeit des eigene Seins. Es ist meistens langweilig. Zu allem Übel verursacht die Unsicherheit auch noch ein blödes Gefühl in der Magengrube. Gerne auch noch verstärkt durch einen Schuss Selbstzweifel.
Die Anfängerin macht weiter. Trotz allem. Vielleicht weil es gar nicht anders geht. Vielleicht weil es ja schon zu viel Mühe gekostet hat um aufzugeben.Vielleicht auch, weil in der Ferne ein Ziel verführerisch glitzert. Sie hat sich Unterstützung geholt, von anderen gelernt.
Irgendwann kommt der Tag, an dem sich die Anfängerin umdreht und feststellt, wie gewaltig weit sie gekommen ist. Und das fühlt sich großartig an.